Vorbemerkung
Ich bin Star-Trek-Fan seit dem Teenageralter, sah alle Serien und alle Filme. Ihr könnt mich der leicht konservativen Fraktion zuordnen. Ich möchte nicht ständig dasselbe vom Gleichen sehen, ich brauche keinen Fan Service und die steten Fortsetzungen von Serien, die zwanzig Jahre zuvor endeten und deren Status Quo sich seither kaum geändert hat. Das sind Mechanismen, die sich tot laufen, die überhaupt nur funktionieren, weil Nostalgie die Schwachstellen übertüncht. Was ich aber will, wenn man sich eines Franchises annimmt: erhaltet seinen Kern, seine Werte und seine Seele. Ansonsten ist es einfach eine beliebige Serie, der ein gewinnträchtiges Etikett aufgeklebt wurde. Das hat bei Star Trek zuletzt eher mittelprächtig funktioniert.
Handlung
Zwanzig Jahre nach Nemesis, Jean-Luc Picard lebt als Admiral im Ruhestand auf seinem Weingut nachdem er nach Differenzen um die Rettung romulanischer Flüchtlinge aufgebracht den Dienst quittiert hat.
Als er von einer jungen Frau aufgesucht wird, die in einer mysteriösen Verbindung zu ihm steht entfaltet sich eine Verschwörung um das Erbe Commander Datas, romulanische Geheimorden und wieder einmal das Schicksal des Universums. Er reißt sich aus seinem Trott, sammelt eine ungewöhnliche Crew zusammen, chartert ein Schiff und macht sich erneut auf die Reise zu den Sternen.
Kritik
Nach dem orientierungslosen Chaos, das Star Trek: Discovery geboten hat, war Star Trek: Picard auch für mich eine große Hoffnung. Mit einem 80-Jährigen auf der Brücke versprach sich kein tumber Actionkracher zu inszenieren, außerdem wurde früh klar, dass man sich der Historie verpflichtet fühlt und diese nahtlos fortsetzen möchte. Etwas, was bei Discovery eindeutig nicht der Fall war. Und tatsächlich liefert Picard einen sauberen Anschluss und zeigt: man kann eine Serie modern gestalten und sich trotzdem vom ersten Moment an wie Star Trek anfühlen lassen. Die Serie ist hier tatsächlich mit Liebe zum Detail gestaltet, referenziert häufig die alten Serien, modernisiert dort, wo es sinnvoll ist, übertreibt damit aber nie. an hat nicht das Gefühl, dass hier ein Produzent versucht, den eigenen Fußabdruck zu hinterlassen, so wie es bei Discovery klar der Fall war. Das gilt nicht nur für Raumschiffdesigns und das Aussehen der Außerirdischen. Es sind die Städte auf der Erde, das Hauptquartier, es sind die Uniformen, die Planeten, es sind die Effekte in Raumgefechten und es ist die Musik, die zuweilen tief ins Trek-Repertoire zurückgreift.
Das heißt nicht, dass alles, was nah an alten Vorlagen bleibt auch gut ist. Auf die schlecht sitzenden Sternenflotten-Uniformen in einer eher eigenwilligen Variation des Next-Generation-Looks hätte ich verzichten können. Da waren wir eigentlich schon mal weiter. Die Neugestaltung des Borgwürfels fällt hingegen in die Kategorie „einfallsloser Rückschritt“. Das bedrückende technische Gewimmel, durch das sich die Offiziere einst vorsichtig Schritt um Schritt tasteten ist nun minimalistischer moderner Architektur gewichen.
Ein Gedanke, der mich früh umtrieb als die Serie angekündigt wurde, war die Befürchtung, dass man hier zu viel Fan Service leisten wird, denn eindeutig war die Serie der Versuch, sich mit dem Teil des Fandoms zu versöhnen, dem Discovery zu progressiv war. Aber ein Zusammentrommeln der alten Crew, eine Brücke mit den ergrauten Gesichtern von Riker, Troi, LaForge und Dr. Crusher. Und ein Commander Data, der ja schon früh in Teasern angedeutet wurde. Das hätte inhaltlich nur mit Biegen und Brechen funktionieren können und es wäre ganz und gar kein Rezept für die wackelige Zukunft von Star Trek gewesen. Glücklicherweise kam es dazu nicht. Zwar sehen wir Riker und Troi und Data und bei den beiden ersteren ist es eindeutig als Fan Service auszulegen, da sie für die Handlung komplett irrelevant sind, aber ihre Rollen sind klein. Stattdessen stellt Star Trek: Picard eine neue Crew in den Mittelpunkt. Die Rollen bilden eine gutes Spektrum ab und sind hervorragend besetzt. Der charismatische Captain Rios, der eine Schar seiner selbst nachempfundenen Hologramme um sich schart, die für ein paar komödiantische Highlights sorgen. Raffi, einst eine enge Verbündete Picards in der Sternenflotte, die er im Stich ließ und die ihre eigenen persönlichen Dämonen mit sich herumträgt. Die naive Dr. Jurati, deren Expertise im Bereich der Androidenforschung mit einer völligen Überforderung in Sachen Weltraum-Abenteuer konterkariert wird. Und, naja, Elnor. Ein romulanischer Elfen-Samurai. Reden wir nicht weiter drüber.
Der Schwachpunkt der Serie liegt an anderer Stelle: das ist alles unheimlich schlecht erzählt. Weder stimmt bei Star Trek: Picard das Pacing, noch der Weltenbau, noch die erzählerische Konsequenz, noch der Fokus, noch die innere Logik. Die Serie mäandert durch die Staffel. Jede Episode scheint vorderrangig ein Versprechen für die jeweils nächste zu sein statt selbst zu liefern. Fünf der zehn Folgen werden zur Einführung der Hauptcharaktere verwendet. Es folgt eine Episode, die Crew endlich ins Zentrum der Handlung treibt gefolgt von Folge 7, in der es maßgeblich darum geht, William Riker beim Pizzabacken zuzusehen. Selbst der erste Teil des abschließenden Zweiteilers macht weiterhin stark den Eindruck, dass er hauptsächlich versucht, die Figuren für den zweiten Teil aufzustellen. Dabei kann sich die Serie einfach nicht so richtig entscheiden, was sie erzählen möchte. Gleich zu Beginn werden mehrere Handlungsorte aufgemacht, nur um sie vielfach mit Füllmasse zu bespielen. Auf dem Borgkubus passiert de facto nichts, was mit der eigentlichen Mythologie zu tun hat, trotzdem dürfte er der Ort mit der zweitmeisten Screentime sein. Im Finale liegt der Kubus schließlich irgendwo in der Wildnis und tut gar nichts. Figuren werden eingeführt, dann wieder aus dem Geschehen genommen. Hauptfiguren begehen Morde, die kurz darauf vergessen sind. Selbst das Finale führt nochmal mehrere neue Figuren ein.
So endet die Staffel schließlich vor allem auf einer unbefriedigenden Note, untergegangen in der eigenen Überfrachtung mit Figuren, Motiven, Elementen. Dabei zeigt gerade die letzte Folge, was als überspannendes Motiv für die Serie möglich gewesen wäre und offenbar auch als ein solches gedacht war: die letzte Reise eines sterbenden Helden. Picard ist ein Mann, der nichts mehr zu verlieren hat, der bereit ist, sich selbst zu opfern für das Wohl der Vielen. Leider wird das nie so richtig deutlich. Leider wird seine Erkrankung die Staffel über auch bloß erzählt statt gezeigt, um ihm dann auf den Punkt genau im finalen Moment den Tod zu bescheren. Hier ist so viel Potential geschenkt worden.
Die andere Geschichte, die tatsächlich viel besser funktioniert, ist die des Commander Data. Auch diese umspannt die gesamte Staffel. Von der Hoffnung, ein Lebenszeichen von Data zu finden, dem Treffen mit seiner Quasi-Tochter, schließlich seines menschlichen Bruders und die Erfüllung seines letzten Wunsches der vollkommenen Menschlichkeit. Wunderbar inszeniert und ergreifend.
Fazit
Es bleibt ein gemischtes Erlebnis. Das Gefühl, hier endlich wieder Star Trek zu sehen, nicht nur das Logo im Vorspann, sondern auch den Geist der Vorlage zu fühlen und die Liebe der Macher zum Material. Und leider auch ihre Unfähigkeit, daraus eine begeisternde Geschichte zu spinnen. Hier muss nachgelegt werden. Stringenter erzählen ohne der Serie ihren Atem zu nehmen. Es darf auh gerne mal wieder eine Nummer kleiner werden als ständig mit der Auslöschung allen Lebens zu drohen. Gerade für eine Serie, die sich um einen alten Mann dreht, der eine kleine Gruppe Außenseiter um sich geschart hat.