Vorbemerkung
Tales From The Loop basiert auf einem Artbook (genauer gesagt ein „illustrierter Roman“) des Künstlers Simon Stålenhag. Ich habe das Artbook nicht gelesen, aber ich besitze das Rollenspiel gleichen Namens, das ebenfalls auf dem Artbook basiert und großzügig damit bebildert ist. Um falsche Erwartungen zu vermeiden sollte man sich klar machen, dass zwar beides dieselbe Quelle nutzt, die Serie aber mitnichten auf dem Spiel basiert. Beides sind unterschiedliche Interpretationen desselben Quellenmaterials und schlagen zuweilen einen deutlich unterschiedlichen Ton an.
Handlung
Wir befinden uns irgendwo in den fiktiven 80er Jahren in der amerikanischen Kleinstadt Mercer, Ohio. Hier lebt auch die Familie von Loretta und George mit ihren beiden Söhnen Jakob und Cole, die in einem Haus irgendwo in der verschneiten Einöde wohnen. Das bestimmende Element für das Leben in Mercer ist der Loop, eine Forschungseinrichtung, die unter der Stadt verläuft und zahlreiche und sichere Jobs bietet, aber auch für allerhand wissenschaftliche Seltsamkeiten sorgt in einer Welt, in der Roboter, die durch Wälder streifen und schwebende Traktoren zur Normalität gehören.
Kritik
Was genau ist Tales From The Loop eigentlich? Ist es eine Anthologie, ist es eine Serie mit fortlaufender Handlung? Daran scheiden sich seit Beginn der Ausstrahlung die Geister und ich mag mich auch nicht komplett festlegen. Zwar hat Tales, ungewöhnlich für eine Anthologie, einen größtenteils festen Figurenstamm, der sich über die genannte Familie sowie Freunde und Kollegen erstreckt, auf der anderen Seite sind die allermeisten Geschichten nahezu alleinstehend. Von der letzten Folge abgesehen ist nie Vorwissen erforderlich. Hier gibt es mal eine Anspielung, dort kehrt eine bekannte Figur zurück, aber der Zusammenhang ist äußerst lose. Erst Folge 8 baut deutlich auf die Geschehnisse vorheriger Episoden auf.
Welches Genre bedient Tales From The Loop eigentlich? So offensichtlich die Antwort angesichts der retrofuturischen Kunst Stålenhags entlehnten Motive wie Roboter, Luftfahrzeuge, Beschleunigerringe, Zeitreisen und Parallelwelten erscheint, so wenig möchte man der Serie schlussendlich tatsächlich das Label Sciencefiction aufkleben. Fast überall bleibt das Sciencefiction-Element Hintergrund, niemals nimmt es eine dominante Rolle ein, immer steht der Mensch im Vordergrund. Keine einzige der Geschichten wird durch den Einsatz von Technik aufgelöst, keines der mysteriösen Ereignisse wird auch nur ansatzweise einmal wissenschaftlich erklärt. Tales From The Loop ist tiefgehendes Drama in retrofuturistischem Ambiente.
Und es ist – im maximalen Unterschied zum eingangs erwähnten Rollenspiel – ein unheimlich depressives. Im Zentrum der Serie stehen zutiefst nachdenkliche Motive. Alles dreht sich um Veränderung, vor allem um der Verlorengehen menschlicher Beziehungen. Da ist das Mädchen, das seine Mutter verliert. Der Junge, der seinen Opa verliert. Der Junge, dessen bester Freund ihm buchstäblich das Leben stiehlt. Der Vater, der seinen Sohn verliert. Beziehungen scheitern, Familien zerfallen. Am Ende der Serie steht eine neue Welt. Es ist keine schlechtere Welt, aber es ist eine, die der Lauf der Zeit für unsere Protagonisten gewaltig verändert hat. Wer sich am Ende einmal klar macht, was eine Loretta beispielsweise alles durchgestanden hat, dem kann schon etwas flau im Magen werden. Erst in dieser letzten Folge wird übrigens klar, wie intensiv Tales From The Loop tatsächlich im Verlauf der vorherigen sieben Folgen sein Charaktergefüge aufgefaltet und vorgestellt hat, sodass es überhaupt erst einen solchen Effekt aus gravierenden Veränderungen ziehen kann.
Es handelt sich also tatsächlich um ziemlich schwere Kost, was durch die sehr getragene Inszenierung noch verstärkt wird. Tales From The Loop präsentiert sich als Gesamtkunstwerk. Jede Einstellung sitzt, aus jedem Winkel entsteht ein kleines Gemälde. Trotz der Verlegung der Handlung in die USA bleibt die Atmosphäre der abgeschiedenen schwedischen Landschaften mühelos erhalten. Mit einer schier unendlichen Liebe zum Detail bleibt die Serie dabei enger an Stålenhags Kunst als ich es je erwartet hätte. Einige Szenen schauen aus als hätte man sie geradewegs aus seinen Bildern geschnitten. Handwerklich braucht die Serie sich wahrlich nicht verstecken. Die Effekte fügen sich nahtlos ein, die Sets sind stimmig und die Darsteller, größtenteils Kinderdarsteller wohlgemerkt, machen einen hervorragenden Job.
Die Episoden
Loop
Die Pilotfolge setzt noch etwas andere Akzente als die folgenden Episoden. Hier dominiert ein Mysterium, hier ist der Sciencefiction-Aspekt etwas stärker, die Handlung deutlich komplexer.
Transpose
Man könnte dies schon als die Schlüsselfolge der Staffel bezeichnen. Es wird ein deutlich düsterer Ton im menschlichen Drama angeschlagen und die Episode endet auf einer äußerst bitteren Note, die klar macht, dass Tales mutig von den gewohnten Erzählmustern abweicht.
Stasis
Diese Folge fand ich leider schwach, da sie das Schema der vorherigen stark wiederholt. Zwei Menschen in einer Beziehung geraten in eine ungewöhnliche Situation und beginnen sich zu entfremden. Auch im Rückblick eher mager, da es eine der Episoden ist, die fast keine Verbindung zum Rest aufweisen.
Echo Sphere
Enthält fast kein SciFi-Element, trotzdem eine der besten Folgen der Staffel, die sich mit der Unvermeidbarkeit des Todes auseinander setzt und sich dabei erfrischend unverbrauchter Figurenkonstellationen bedient. Bis hierhin werden tatsächlich alle Episoden konsequent aus der Sicht der Kinder bzw. Jugendlichen erzählt.
Control
Das ändert sich verblüffenderweise an dieser Stelle. Dennoch ebenfalls eine starke Folge über einen Mann, der nach einem schweren Verlust nach Halt und Kontrolle über sein Leben sucht. Man ersetze den Roboter durch eine Schrotflinte und schon würde auch diese Folge ohne jegliche Sciencefiction funktionieren.
Parallel
Eine der schwächeren Episoden, die auch sonst etwas aus dem Rahmen fällt. Wieder erzählt aus der Sicht eines Erwachsenen, zudem ohne Verbindung zur Haupthandlung der Serie (insbesondere angesichts des Endes der Episode).
Enemies
In meinen Augen der einzige Totalausfall der Serie. Die Episode bedient sich bis zur Mitte des Survival-Horrors und wird am Ende richtig cheesy. Beides funktioniert bei Tales From The Loop so gar nicht. Schleierhaft, was hier schief gelaufen ist.
Home
Das Finale verteilt gleich eine ganze Handvoll Schläge in die Magengrube. Die Serie bleibt sich treu und gönnt selbst seinen bereits gebeutelten Figuren wenig Freude und verwehrt auch dem Zuschauer Glücksmomente. Veränderung ist ein Teil des Lebens und nichts, vor allem keine Technologie, wird sie verhindern oder gar umkehren können. Ein wahrhaft würdiger und epischer Abschluss.
Fazit
Tales From The Loop verlangt seinen Zuschauern einiges ab. Die getragene, teils extrem dialogarme Inszenierung konterkariert moderne Sehgewohnheiten, die Geschichten verwehren sich den Konventionen ihrer Sciencefiction-Motive, die Auflösungen verweigern Happy Ends und stellen uns stattdessen vor die Unveränderbarkeit des Schicksals. Tales ist ein Gesamtkunstwerk. Lässt man sich darauf ein, dann kann es eine großartige, tiefschürfende Erfahrung bieten und einen in der perfekten Inszenierung schwelgen lassen. Kommt man nicht klar mit der zelebrierten Langsamkeit und der Verweigerung einfacher Antworten, dann wirft man vermutlich nach der ersten Folge das Handtuch und wäre auch später nicht mehr glücklich mit der Serie geworden.