Biohackers

Handlung

Mia Akerlund beginnt ihr Medizinstudium an der Universität in Freiburg und zieht in eine WG mit ihren neuen Mitbewohnern Lotte, Ole und Chen-Lu. Die eine reich und sexy, die anderen totale Nerds im Bereich Biohacking, der Verbesserung von Lebensformen (inklusive sich selbst) durch medizinische und genetische Eingriffe. Schnell lernt Mia auch die Freunde Jasper und Niklas kennen, die beide ein Auge auf sie werfen, sowie die finstere Dozentin Lorenz, mit der sie mehr verbindet als es zunächst scheint.

Kritik

Nach jüngsten guten und mutigen deutschen Produktionen für Netflix (siehe insbesondere Dark) sowie einem extrem spannenden Thema hatte ich hier auf den großen Wurf gehofft. Herausgekommen ist leider das genaue Gegenteil. Biohackers hätte auch im Öffentlich-Rechtlichen (dann versendet nachts bei den Dritten) oder für RTL, Sat.1, ProSieben entstehen können, wenn sich nach langer Serien-Durststrecke mal wieder ein neuer Senderchef eine blutige Nase im Bereich deutsche Fiction holen will. Es ist ein musterbeispiel für das oft verschrieene deutsche gewollt und nicht gekonnt, versucht und versagt, mutig gestartet und dann doch den Schwanz eingezogen. Und reißt leider auch handwerklich

In allererster Linie krankt Biohackers an seinen Drehbüchern und daran, dass offenbar niemand an der Produktion beteiligt war, ihre massiven Schnitzer auszubügeln oder zumindest anzumerken. Zum Einen fehlt hier komplett das Gespür für Dialoge. Nichts wirkt echt, jugendlicher Witz wird vermengt mit einem Overkill an Biohacker-Vokabular, oftmals auch noch in steifer Überbetonung vorgetragen. Die Charakterzeichnung ist dilettantisch und klischeehaft. Chen-Lu redet nicht nur in jedem Dialog über Pflanzen, teilweise darf sie dabei auch noch einen Kaktus in der Hand halten. Ole ist der peinliche Versagernerd. Kaum Follower auf YouTube, vernarrt in ein erfolgreiches Idol und als er völlig unpassenderweise Richtung Fußball-Bundesliga loszieht kommt er natürlich unvermittelter Dinge wieder zurück, weil er sich im Internet gefälschte Karten hat andrehen lassen. Dafür sehen wir ihn ständig irgendwelche Implantate in seinen Körper stecken. Das hat keine Bedeutung für die Handlung, sorgt bloß für Pseudo-Komik. Und Lotta… naja, blond, leicht bekleidet und hat ständig Sex. Am schlimmsten hat es Gegenspielerin Lorenz erwischt. Hier wird vom ersten Moment an klar gemacht, wer die Evil Queen in der Serie ist. Vielleicht sollte man es Jessica Schwarz durchaus anrechnen, dass sie das auch voll durchzieht und in wirklich jeder Szene mit sinistrem Blick und herablassender Stimme den Comic-Bösewicht raushängen lässt. Schlimm erwischt es auch die Nebenfiguren. Monique, obwohl als junge schwarze Frau wohl ein Alltags-Opfer von Lorenz darstellend, kommt komplett inkompetent und unsympathisch rüber. Die Ärztin in der letzten Folge, die sich mit ein paar warmen Worten überzeugen lässt, dass eine mutmaßliche Terroristin kritischen Patienten irgendeine unbekannte Substanz injizieren sollte, wirkt ebenso komplett unfähig und überfordert.

Apropos Klischees: Es wimmelt geradezu vor Drehbuch-Versatzstücken. Sei es der simulierte Zeitdruck mittels eines Countdowns (zum Beispiel Download-Fortschrittsbalken oder Drucker-Fortschrittsbalker) während der Bösewicht auf dem Weg ist. Die völlig überzogene 2-Minuten-„Wir wollen Gott obsolet machen“-Rede der Dozentin zu den Erstsemestern. Die Eifersüchteleien im Liebes-Dreieck. Die Entführung am hellichten Tag durch schwarzmaskierte Gestalten in einen Van. Der demente Zeuge. Das geheime Labor im Wald. All das wird völlig ohne interessante Variation und ohne jedes Verständnis für Kontext und Plausibilität ins Drehbuch gepresst. Ja, wenn man jemanden entführen will, am besten am Tag (Abend, aber noch ziemlich hell) das Mädchen mit zwei Männern mitten im Park packen und dann erstmal zappelnd bis zum Ausgang tragen. Spitzenidee. Und davon hat Biohacker sehr, sehr viele.

Das gilt leider auch für sein zentrales und namensgebendes Thema. Ich finde Biohacking, CRISPR und alles was dazu gehört selber unheimlich interessant. Die vierteilige Netflix-Doku Unnatural Selection hat mich richtig begeistert. Und ich halte es nicht für unwahrscheinlich, dass sie den Autoren hier auch als Inspiration und Recherchematerial gedient hat. Denn das Vokabular der Szene haben die Autoren drauf, die Buzzwords fallen zuverlässig, die gezeigten Experimente der WG-Bewohner lassen sich auf Youtube nachschlagen. Genau wie die Protagonisten, die am ersten Tag des Medizinstudiums direkt mal im Labor Genmanipulation betreiben dürfen, scheinen aber auch den Autoren sämtliche Basics in Sachen Medizin zu fehlen. Recherche mangelhaft. Etwa wenn Mia in der Datenbank vollständiger Genome eine gerade mal acht Basenpaare lange Gensequenz suchen lässt, um zielsicher die Teilnehmer eines Experiments zu identifizieren. Konzepte wie Inkubationszeiten oder die Funktionsweise eines Immunsystems scheinen den Autoren gänzlich unbekannt, was sie in letzterem Fall allerdings nicht davon abhält, darauf das Geheimnis ihrer Story aufzubauen.

Technisch beginnt Biohackers durchaus ansehnlich mit einem langen One-Shot durch einen dramatischen Zwischenfall in einem Zugabteil. Die Kamera bewegt sich unruhig durch den Gang, muss Personen ausweichen, bewegt sich auf und ab, es wirkt tatsächlich, als sei der Zuschauer eine weitere Person, die sich ihren Weg durch das unübersichtliche Getümmel kämpft. Dann wird es konventioneller. Biohackers zieht einen farblichen Kontrast auf zwischen der Jugendkultur in knalligem Orange-Türkis und der Biokonzern-Welt in Betongrau, bleibt aber auch hier denkbar unangenehm. Und wer auch immer das rote Neonschild in Lorenz‘ Büro an die Wand gehängt hat soll bitte nie wieder Setdesign machen. Die Schauspieler sind bestenfalls Durchschnitt, vieles wirkt sehr hölzern und emotionsarm. Sebastian Jakob Doppelbauer bewegt sich als Ole an der Grenze zum Laienschauspiel und dass Jessica Schwarz augenscheinlich wusste, dass ihre Zeilen nicht für ein subtileres Schauspiel taugen, habe ich ja bereits weiter oben vermutet.

Biohackers endet mit einem Cliffhanger (den ich weiter oben auch bereits gespoilert habe, ups!), aber ich glaube nicht, dass wir eine Fortsetzung wirklich brauchen. Denn eigentlich ist die Geschichte erzählt. Biohackers holt eigentlich nur das letzte Drehbuch-Versatzstück heraus: hinter dem Bösen gibt es plötzlich noch einen viel mächtigeren Bösen! Ui.

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