The X-Files – Staffel 1

Ich habe mich bereits vor einigen Jahren, im Vorfeld von entweder Staffel 10 oder 11, an einem kompletten Rewatch der Serie versucht und dabei Episodenkritiken zu jeder Folge verfasst. Das resultierte darin, irgendwann total mit den Reviews hinterher zu hinken und schlussendlich in der Erkenntnis, einzelne Folgen noch einmal sehen zu müssen. Und daran ist zu Beginn von Staffel 3 dann der komplette Rewatch gescheitert. Man kann es sich eben auch selber verdammt schwer machen. Nun also der nächste Versuch. Ohne Episodenkritiken, dafür mit einem Blick auf die einzelnen Staffeln.

Die erste Staffel von The X-Files lief in den Jahren 1993 und 1994. Das ist verdammt lang her! Ebenso wie Staffel 2 gehört das zu der Zeit bevor ich bei der Erstausstrahlung in die Serie eingestiegen bin, sämtliche Folgen habe ich also mit der Kenntnis, was später einmal passieren wird das erste Mal gesehen.

Im Gegensatz zu bedauernswerterweise Farscape, das ich zuletzt auch noch einmal von vorne gesehen habe, ist The X-Files bemerkenswert gut gealtert, da es einige bedeutende Vorteile auf seiner Seite hat: Es verlässt sich kaum bis gar nicht auf Spezialeffekte aus der Post-Production. Die Plots sind hauptsächlich auf urbanen Mythen aufgesetzt, die zeitlos sind. Die Serie wird von der Chemie der Hauptdarsteller getragen, die heute noch genauso fesselnd wirkt wie damals. Dazu kommt aber auch: The X-Files funktioniert verdammt früh verdammt gut!

Mit den ersten drei Episoden definiert The X-Files einen Großteil dessen, was die Serie in den folgenden Jahren ausmachen wird, insbesondere die Pilotfolge schafft es, alle relevanten Elemente der Serie bereits vorzustellen und dabei einen packende Geschichte zu erzählen und seine Figuren einzuführen. Wieso schafft das heutzutage kaum noch jemand? „Pilot“ hat Spooky Mulder in seinem Element, Scullys Skeptizismus, Entführungen durch Außerirdische, einen gruseligen Leichenfund, eine Location des alltäglichen Unwohlseins (das Sanatorium), einen widerspenstigen Kleinstadt-Mikrokosmos, unsichtbare Gegenspieler, die gegen das Ermittlerduo agieren und selbst der mysteriöse Raucher tritt bereits in Erscheinung. „Pilot“ kann auch heute noch als Schablone dienen, wie man eine Serie vorstellt.

„Deep Throat“ als nächste Folge definiert die typische Mythologie-Episode, verknüpft das Militär mit dem Thema Alientechnologie und führt die Regierungsverschwörung samt Whistleblower Deep Throat ein. „Squeeze“ als dritte Episode kreiert direkt eines der denkwürdigsten Monster der Woche, zeigt, wie ein kreativ ausgestalteter Fall der Woche funktioniert und etabliert das Element des halboffenen Endes, mit dem viele Folgen der Serie spielen werden.

Gillian Anderson und David Duchovny sind vom ersten Moment an top eingespielt, die Chemie stimmt einfach, die beiden sind ein Glücksfall für die Serie. Beide finden direkt die Balance ihrer Charaktere. Mulder ist ausreichend nuanciert, um nie der verrückte Spinner zu sein, Scully nie die verbohrte Skeptikerin, die sich auch entgegen eigenes Erfahrens strikt ans Lehrbuch klammert. Abgesehen von ein paar Style-Änderungen (Scully trägt ein paar unglückliche Frisuren und Mulder zu oft Brille) sind die beiden direkt so wie man sie zehn Jahre später immer noch sah.

Weiterer Pluspunkt, den man vielleicht auch erst im Nachhinein feststellen kann, zumindest weiß ich nicht, wer alles von denen damals schon groß bekannt war: Die Staffel hat eine ganz bemerkenswerte Gastdarsteller-Riege: Seth Green, Xander Berkeley, Felicity Huffman, Mark Sheppard, Brad Dourif, Don S. Davis, Titus Welliver, Zeljko Ivanek. Nicht die ganz großen Namen, aber welche die man zumindest als Genre-Kenner heutzutage sicher kennt. Markante Schauspieler sind aber auch wichtig, denn an Nebenfiguren hat Staffel 1 außer Informant Deep Throat, der am Ende der Staffel das Zeitliche segnet, nicht viel zu bieten. Skinner hat erst gegen Ende seinen ersten Auftritt, die Einsamen Schützen ebenfalls nur einen, der Raucher taucht ein paar Mal quarzend im Hintergrund auf, redet aber nahezu kein Wort. Es ist zu hundert Prozent die Scully-und-Mulder-Show. Versuche, sie um ein persönliches Umfeld zu bereichern schlagen fehl. Sowohl Scullys Date als auch Mulders Wiedersehen mit einer früheren Liebschaft geraten eher peinlich und werden direkt begraben.

Im Laufe des ersten Jahres geht der Serie allerdings etwas die Luft aus. Ich schiebe das maßgeblich auf die Network Notes, die den Produzenten vorschrieben, bekannte und zugängliche Mythen umzusetzen. Das führt dann leider dazu, dass sich einige Motive ständig zu wiederholen beginnen. Verstorbene, deren Geist zurückkehrt und Morde begeht? Haben wir bestimmt ein halbes Dutzend Mal. Am Staffelende mit den Folgen „Born Again“ und „Roland“ sogar in zwei viel zu ähnlichen Folgen direkt hintereinander. „Darkness Falls“ ist quasi eine Wiederholung von „Ice“. Und dass mehrere Episoden, die nicht zur Mythologie gehören, eigene Alien-Geschichten erzählen, ist auch nicht gerade clever.

Die Mythologie ist nämlich auch alles andere als ausdefiniert. Freundlich ausgedrückt. Man könnte auch sagen, Carter hat offensichtlich keinen Schimmer, was er da zusammenzimmert. Jede Mythologiefolge erzählt ihr komplett eigenes Ding. Wir beginnen mit entführten Teenies, machen weiter mit Militär, das Alientechnologie in eigene Flugzeuge einbaut, gefolgt von einem UFO-Absturz, nach dem ein unsichtbarer Außerirdischer herumläuft und Soldaten mit Strahlungsblitzen tötet. Es folgt eine Geschichte über eine internationale Verschwörung zum Töten von außerirdischen Lebensformen und im Staffelfinale eine Gruppe, die mittels außeriridischer Viren Alien-Mensch-Hybriden gezüchtet hat. Schon jetzt ist ziemlich undurchschaubar, welche Gruppierungen es gibt, wer für und wer gegen wen arbeitet. Ganz zu schweigen von den Blendgranaten „Conduit“ und „Gender Bender“, die nochmal ihre ganz eigenen Aliens präsentieren.

Zu den besten Folgen der Staffeln gehören neben dem Piloten sicherlich das bereits angesprochene „Squeeze“ sowie „Eve“, das von einem wendungsreichen Plot und gruseligen Zwillingskindern profitiert, „Beyond The Sea“ als prägende Charakterstudie von Scully und „E. B. E.“, das trotz sehr wenigen Erkenntnissen den Ton aller künftigen Verschwörerfolgen definiert. Absolutes Low Light ist „Space“, wo alles schief gegangen ist und das Mulder und Scully zu bloßen Zuschauern einer Weltraumfolge ohne Weltraumbilder degradiert. „Conduit“ ist sicherlich auch nicht gut erzählt und als Alienfolge völlig falsch platziert, „Shapes“, „Ghost in the Machine“ und „Young at Heart“ kranken an der Umsetzung.

Alles in allem ist die Staffel vor allem hinten heraus manchmal etwas zu träge, aber dürften sie schon in der Erstausstrahlung gewesen sein. Hier wurde viel Kreativität durch Bedenkenträger beim Sender ausgebremst, denn wenn man durfte, dann wurde auch geliefert. Die Mythologie schafft einige enorm spannende und atmosphärische Folgen, sieht im Rückblick aber wie ein unkoordinierter Flickenteppich aus.

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