Don’t F**k with Cats

Don’t F**k with Cats: Hunting an Internet Killer ist eine dreiteilige Netflix-Dokumentation über die Jagd nach einem von Narzissmus getriebenen Tierquäler und Mörder, der die Videos seiner Taten im Internet präsentierte. Das hier wird kein Review. Der Dreiteiler braucht keine umfassende Stilkritik. Netflix hat, wie ich letztens so schön las, das Dokumentationsgenre entstaubt, aber nicht revolutioniert und da reiht sich Don’t F**k with Cats nahtlos ein. Es ist eine saubere, moderne Dokumentation ohne Alleinstellungsmerkmale. Es geht mir um ein paar Dinge, die mich erheblich gestört haben.

Netflix schreibt „It’s An Unbreakable Rule of the Internet. He should have listened.“ Das Vorschaubild zeigt die klischeehafte Darstellung eines Dark-Web-Hackers. Die ganze erste Folge stellt eine Gruppe von Internet-Nerds in den Mittelpunkt, die sich auf die Jagd nach einem Katzenmörder machen. Direkt zum Start wird es als die „Rule Zero“ des Internets bezeichnet: Don’t Fuck with Cats! Das ist ein faszinierendes Narrativ: Vergreife dich an Katzen und die wirst das ganze Internet gegen dich haben, am Ende wird es deinen Untergang bedeuten. Die Reihe klammert lange daran, lässt seine Protagonisten Deanna Thompson und John Green immer wieder erzählen, wie sie Nachrichten von den Ermittlungen auf Facebook aufgenommen haben, wie neue Videos mitten in der Nacht aufploppten. Die Mär vom Triumph der Nerd. Allein: nichts davon stimmt.

Wenn ich die Doku richtig verfolgt habe, hatten Thompson, Green und die anderen Beteiligten der Facebook-Gruppe, die akribisch alle Details in den Videos auswerteten, Spuren verfolgten, den Täter demaskierten und seine früheren Aufenthaltsorte aufdeckten, rein gar nichts zum letztendlichen Ermittlungserfolg beigetragen. Zugegeben: auch weil zunächst wohl niemand auf sie hören wollte. Aber was dann folgt ist 100% polizeiliche Ermittlungsarbeit. Die Polizei von Montreal findet die Identitäten von Täter und Opfer. Die Polizei von Paris verfolgt seine Spur in Frankreich. Er wird festgenommen von der Berliner Polizei durch den Hinweis eines Berliner Internetcafé-Betreibers, der seinen Gast durch Bilder aus der Presse wiedererkennt. Die Doku verdreht daran nichts, aber sie lässt keinen Zweifel daran, wer ihre Stars sind: Thompson, Green und der Mörder. Das ist unehrlich.

Mittlerweile ist es ein typisches Phänomen unserer Zeit: Don’t F**k with Cats ist deutlich zu lang. Es ist die Geschichte eines Killers, der drei von der Öffentlichkeit nur kurzzeitig beachtete Tiersnuff-Videos ins Netz stellt, dann einen spektakulären Mord begeht, sich ins Ausland absetzt und kurz darauf geschnappt wird. Es gibt keine Zeugen für seine Taten, es gibt eine relevante, die Ermittlungen leitende Person bei der Polizei und ein paar Leute, die seine Videos im Internet gesehen haben. Für über drei Stunden Netto-Laufzeit muss hier eine Menge Zeit gefüllt werden, was vor allem dem zweiten Teil anzumerken ist. Die Facebook-Gruppe hat eigentlich nichts mehr mit dem Fall zu tun und die durchaus vorhandenen interessanten Enthüllungen hebt sich die Doku für den dritten Teil auf. So wird eben oft das Facebook-Glöckchen eingeblendet, gezeigt wie Gruppenmitglieder „Fuuuuu…!!“ und ähnliche Reaktionen posten. Hier wird Zeit geschunden und zwar enorm. Die Reihe will sowohl die Laufzeit als auch ein spektakuläres Finale und beides gleichzeitig geht nicht gut. Erstaunlicherweise bleiben trotzdem ein paar Punkte seltsam ungeklärt bzw. werden überhaupt nicht weiter erwähnt.

Die Geschichte hat ein packendes Finale. Die Motive und Vorbilder des Täters werden enthüllt und die Doku kann genüsslich ausschlachten, dass sie all die Puzzlestücke, die nun ein ganzes geben, selbst in den vergangenen Stunden bereits gezeigt hat. Der Aha-Effekt ist groß, das ist einfach gutes Fernsehhandwerk! Nach dem Abschluss des Falls folgt eine Szene mit dem besten Freund des ermordeten Jun Lin, der sich darüber beklagt, dass der Mörder genau erreicht hat, was er wollte – Bekanntheit – während Jun Lin in Vergessenheit geraten wird. Es ist ein starkes Statement, die Doku mit diesen Worten und dem Bild von Jun Lin enden zu lassen.

Sie ist allerdings noch nicht zuende. Green und Thompson sprechen über Verantwortung, sprechen das Gefühl an, was mich seit Folge 1 unangenehm begleitet hat. Die fanatische Internetgruppe, die zu tausenden einen narzisstischen Killer verfolgt, jedes Video von ihm teilt, ihn akribisch sucht – haben diese Leute nicht selbst eine Verantwortung am Geschehen? Haben sie ihm nicht exakt gegeben, was er wollte? Exakt gemacht, was er wollte? Ihn dazu getrieben, weiterzumachen und neue Grenzen zu überschreiten? Mal davon abgesehen, dass Folge 1 zeigt, wie die Gruppe einen depressiven Internettroll mobbt, der sich selbst fälschlicherweise als der Täter ausgibt und sich daraufhin das Leben nimmt. Was haben Thompson, Green und all die anderen zum Triumph des Guten beigetragen und welchen Schaden haben sie angerichtet? Glücklicherweise reflektieren die beiden diese Gedanken selbst. Und dann kommt die letzte Szene und die ist einfach so unfassbar ärgerlich, unehrlich und dreist.

Thompson: „Did we feed the monster or did we create it?“, durchbricht die Vierte Wand, zeigt und spricht direkt zum Zuschauer: „And you, you at home watching a whole fucking documentary […] Are you complicit? Perhaps it’s time we turn of the machine.“ – Boom. Ende. Bummer! Der dreckige Zuschauer, ist er auch Schuld am grausigen Mord an Jun Lin und einem halben Dutzend zu Tode gequälter Haustiere?

Natürlich nicht und das wissen die Autoren auch. Schließlich sitzt der Verantwortliche auf Lebenszeit hinter Gittern, schließlich hat er seine Taten begangen, lange bevor es die Doku gab und schließlich bin ich bloß Zuschauer, gelockt von einer Geschichte über Internetnerds, ja genau euch nämlich. Mit der gleichen Logik könnte man alle Zeitungsleser und Fernsehzuschauer jener Zeit beschuldigen. Wäre allein dadurch doof, dass es einer von diesen war, der den Mann schließlich festsetzen lief.

Es ist an der Zeit, mal die Instanz zu nennen, die Thompson nicht nennt, die sich selbst nie nennt, Green immerhin seine gemischten Gefühle demgegenüber äußert. Die, die den Namen des Täters sicherlich weit über hundert Mal nennt, Berge seiner selbstverliebten Bilder immer und immer wieder zeigt, den Ekel in den Gesichtern jener Protagonisten abfilmt, die für die Doku nochmal den alten Tiersnuff schauen mussten, und für die der Täter einer der Stars ist. Die Doku selbst. Ich sage nicht, dass man keine Dokus über Verbrecher machen sollte, die aus Geltungssucht und dem Streben nach Ruhm und Bekanntheit gehandelt haben. Ja, es mag in deren Interesse sein, wenn ihre Geschichte der ganzen Welt präsentiert wird und es könnte Nachahmern zeigen, dass so etwas möglich ist. Aber muss man drei Stunden darauf verwenden, in der groß inszenierten Erkenntnis des Kunstwerks kulminieren, dass der Täter schaffen wollte, sein ganzes Fotoarchiv offenlegen? Ich weiß es nicht.

Aber dann als Schlusspointe dem Zuschauer nahezulegen, dass er ja an dem Geschehen genauso schuld sei, ist einfach nur dumm, ekelhaft und effektheischend und lässt einen ziemlich ratlos zurück.

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