Alles, was (immer noch) falsch läuft mit Star Trek: Discovery – Teil 2

Hier geht es zu Teil 1: Die Föderation.

Die Zukunft

Die dritte Staffel von Star Trek: Discovery macht einen gewaltigen Sprung in die Zukunft: um 930 Jahre geht es vom Jahr 2258 aus der Prä-Kirk-Ära ins Jahr 3188 – weiter als jede Star-Trek-Serie zuvor. Immerhin scheint man hier tatsächlich eine ordentliche kanonische Sorgfalt walten lassen, denn der Burn rund 120 Jahre zuvor liegt damit knapp hinter den letzten bekannten Ereignissen aus dem Star-Trek-Universum.

Den Kanon aus dem Weg, was hat sie nun genützt, die ferne Zukunft. Wie fühlte sie sich an? Fühlte man sie überhaupt? Leider: nein.

Fangen wir mit den technischen Aspekten an. Da stand die Produktion sowieso vor einer nahezu unlösbaren Aufgabe. Den Stil und die Technologie einer möglichen Zukunft, egal wie fern sie ist, zu kreieren ist einfach – völlig unabhängig davon, dass man sowieso komplett daneben liegen wird. Der Mensch hat kein Gefühl dafür, welche Entwicklungen binnen 50, 100 oder 1000 Jahren realistisch sind. Die Zukunft einer bereits ausgestalteten Zukunft zu kreieren ist ein Ding der Unmöglichkeit, da bereits alles erdenkliche und darstellbare in der ersten Zukunftseben gelandet ist. Im Falle von Discovery wird es nochmal dadurch kompliziert, dass das 23. Jahrhundert im Zuge der Serie stark modernisiert wurde mit Technologie wie dem Sporenantrieb, der quasi nicht mehr verbesserbar ist, diese Epoche für Star-Trek-Verhältnisse aber als sehr früh gilt. Was also tun? Vor allem, wenn keine Zukunft gezeigt werden soll, in der die Menschheit nur noch aus Gehirnen besteht, die in einer Nährlösung liegen oder die Sternenflotte nur noch von Künstlicher Intelligenz und Robotern betrieben wird, was eigentlich naheliegend wäre?

Die Lösung bei Star Trek: Discovery ist: Möbel schweben im Raum, (Tarn-)Schilde können einen ganzen Planeten umfassen. Jedes Crewmitglied bekommt einen tragbaren Transporter im Abzeichen und einen Clip am Arm, der einfach alles sofort replizieren kann bis hin zu Phasern. Die letzten beiden Dinge sind bereits dermaßen plotsprengend, dass ersterer nach der ersten Anwendung einfach vergessen wird und letzteres erst in einem geeigneten Moment plötzlich aufploppt.

Zeittechnologie, wie wir sie in der späten Zukunft in Voyager sahen, gilt als verbannt. Holokommunikation hat sich nachdem es sie bei Discovery bereits gab, Captain Pike sie für Unsinn erklärt und sie später bei Deep Space Nine wieder eingeführt wurde, immer noch nicht flächendeckend durchgesetzt. Dafür gibt es nun programmierbare Materie, doch wozu die nütze sein soll, darüber ist in den letzten paar hundert Jahren wohl nicht nachgedacht worden. Also so ähnlich wie beim Burn.

Mehr oder weniger sieht die Zukunft genauso aus wie die Gegenwart.

Hier ist, was ich erwartet und bevorzugt hätte: Die Discovery hat mit ihrem Sporenantrieb einen gewaltigen Vorteil gegenüber allen anderen Schiffen, vor allem im Angesicht der Dilithium-Krise. Davon abgesehen ist sie aber hoffnungslos unterlegen (ein vom zeitlichen Maßstab her passender Vergleich ist der eines Wikingerschiffs gegen heutige Marinekreuzer). Die Crew muss äußerst vorsichtig vorgehen, um ihren einzigen Vorteil nicht zu verlieren. Stamets wird der wertvollste Mensch des Universums und zum Gejagten. Die Crew muss lernen sich anzupassen, versteht aber die Technik des 32. Jahrhunderts nicht, zweifelt an ihrer Eignung, noch etwas für die Sternenflotte leisten zu können. Auch sozial finden sie sich in den neuen Strukturen nicht zurecht.

Hier ist, was tatsächlich gezeigt wurde: Bei der Ankunft in der Föderation wird das Schiff aufgerüstet, hält ausdauernden Feuergefechten schadlos stand, selbst Dauerfeuer der ganzen Föderationsflotte kann nichts ausrichten, ist jetzt zweifellos das beste Schiff der Flotte. Die Crew wird mit technischem Schnickschnack ausgestattet, den jeder sofort versteht. Tatsächlich löst sie ohne größere Probleme ein Rätsel, an dem sich die Wissenschaftler seit hundert Jahren die Zähne ausbeißen und führen ohne tiefere Kenntnisse der jüngeren Geschichte die gesamte Föderation wieder zusammen.

Wenn man den Sprung in die Zukunft erzählerisch überhaupt nicht nutzt und trotz ein bisschen technischem Schnickschnack die Staffel auch problemlos als dieszeitig durchgegangen wäre, wieso dann überhaupt ein Zeitsprung? Es scheint, dass der tatsächlich nur dazu diente, endlich den öden Kanon aus dem Weg zu räumen und erzählen zu können, wie Michael Burnham nicht nur das Schiff und das Universum rettet, sondern dieses Mal auch die Föderation.

Die Zukunft sieht aus wie die Gegenwart (der Discovery jedenfalls) und wie es scheint, könnte jeder Wikinger problemlos auch ein Atom-Uboot steuern. Chance vertan. Nächstes Mal: Was läuft das eigentlich so verdammt schief im Serien-Ensemble?

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