Ist Star Trek wirklich mutiger geworden?

Drüben auf M42 starte ich gerade mit der Veröffentlichung von „Star Trek: Orion“, meiner Vision einer neuen Star-Trek-Serie von 2009, drei Jahre nachdem „Star Trek – Enterprise“ zu Ende ging (glaube, das war eine der letzten Serien, die ich in der deutschen Ausstrahlung sah; in den USA endete sie ein Jahr zuvor). Damit war die zweite Ära von Star Trek beendet, die ununterbrochen von 1987 bis 2005 über die Bildschirme lief. Mehr zu meinen Gedanken hinter „Star Trek: Orion“ findet ihr im dortigen Intro-Post.

Kurz gesagt: Mir fehlte in diesem gigantischen reichhaltigen Universum, mit ausgestalteter Historie von heute bis in die Zukunft der Zukunft, mit seinen im Detail ausgearbeiteten Spezies, seinem World Building um unzählige politische, gesellschaftliche und militärische Organisationen einfach der Mut, mal etwas anders zu machen. Etwas anderes zu zeigen als „Föderationscrew (hauptsächlich Menschen) entdeckt auf einem Raumschiff fremde Welten“. Schon damals schwirrte die noch heute immer mal wieder auftauchende Idee der Sternenflotten-Akademie, eines 90210 in der Zukunft durch den (Welt-)Raum. Nicht ganz mein Geschmack, aber genau in die Richtung dachte ich. So viele Genres, die man im Rahmen von Star Trek hätte ausloten können. Ein Coming-of-Age-Drama an der Akademie. Eine Krimiserie um einen Sternenflottenermittler. Eine Comedy auf einem verlorenen gegangenen Kreuzfahrtschiff. Ein Politthriller auf der klingonischen Heimatwelt. Was, wenn man den Maquis bei Voyager nicht direkt in die Crew eingegliedert hätte, sondern tatsächlich eine Serie über den Maquis gemacht hätte?

Nun sind wir mitten in der dritten Ära, mit „Star Trek: Discovery“, „Star Trek: Picard“, „Star Trek: Lower Decks“, „Star Trek: Prodigy“ und „Star Trek: Strange New Worlds“ sind aktuell fünf Serien am Start. Fast so viele wie es in den ersten 50 Jahren des Franchise insgesamt gab. Ist Star Trek auch mutiger geworden? Jein.

Auf den ersten Blick scheint es ja tatsächlich so. Die neuen Serien sind mutiger, deutlich unkonventioneller für das Franchise und daher auch nicht unumstritten (bekanntlich auch bei mir nicht). Aber völlig davon abgesehen, was diese Serien nun wirklich taugen: sind wir wirklich weiter gekommen seit „Föderationscrew (hauptsächlich Menschen) entdeckt auf einem Raumschiff fremde Welten“?

Für Discovery gilt, dass es sich wohl am Mutigsten in Veränderungen geworfen hat. Übermütig vor allem. Veränderung der Veränderung willen, teils ohne Sinn und Verstand. Grenzen austesten als wäre das Franchise gerade in eine pubertär-rebellische Phase eingetreten. Action, Sex und Gewalt. Emotional auf Distanz zu seinen eigenen Figuren. Finstere Grundstimmung. Discovery hatte aber nie ein mutiges Konzept, sondern Mut ohne Konzept. Was nachweislich nicht gut ging, sonst hätte man nicht quasi alles des Genannten rückabgewickelt. Nun ist Discovery eine Serie, die absolut modern ist, sowohl in ihrer Erzählweise als auch ihren Inhalten, aber halt doch wieder die Abenteuer einer größtenteils menschlichen Crew auf dem Flaggschiff der Föderation erzählt.

Als „Star Trek: Picard“ angekündigt wurde und dass es kein klassisches Setup würde, sondern andere Seiten des titelgebenden Charakters beleuchten werde – zwar der Picard, den wir kennen, aber nicht in der Funktion, in der wir ihn kennen – hatte ich direkt Ideen im Kopf. Wie gerne hätte ich Jean-Luc Picard auf archäologischer Mission gesehen. Erforschung, Ausgrabungen, Puzzle um uralte Geschichten fremder Wesen, mächtige Artefakte, Grabräuber und Reliquienjäger, Mystik und Legenden. Archäologie war eine Leidenschaft Picards und hätte einen großartigen Anknüpfungspunkt geboten, um einen Picard zu erzählen, der in der Sternenflotte in der Ruhestand getreten ist, aber weiter von seinem Forscherdrang getrieben wird.

Kudos an die Macher, dass sie nicht die „Admiral-Picard-Serie“ gedreht haben, sondern ihre Hauptfigur im Bruch mit der Organisation zeigen, der er einst diente. Dass sie Anflüge von Privatermittler-Vibes bringen (auch dafür gibt es mit den „Dixon Hill“-Holoprogrammen ja einige Vorbilder) und eine Crew von Outcasts versammeln. Aber am Ende bleibt doch der Beigeschmack, dass sich alles nicht so wahnsinnig davon unterscheidet, hätte man Picard einfach weiter als Captain einer Enterprise gezeigt.

„Star Trek: Lower Decks“ ist hingegen genau das, was mir damals so durch den Kopf ging. Star Trek hat einige großartige Spaßfolgen hervorgebracht, insbesondere „Deep Space Nine“ hat sich dabei mit seinen Ferengi-Folgen hervorgetan. Das Universum ist so ausgefeilt, so gelernt, dass es einen besseren Nährboden für Comedy bietet als alle anderen SciFi-Kosmen. Warum nicht SciFi und Sitcom kreuzen? Man kann natürlich einwerfen, dass animierte SciFi-Comedy in der Zeit von „Rick & Morty“ keine Kreation mehr ist, der die Fernsehwelt in Erstaunen versetzt, aber trotzdem: Hier wurde konsequent und erfolgreich das Serienuniversum mit einem ganz anderen Genre gekreuzt und Star Trek stilistisch deutlich erweitert. Auch wenn es letztlich dann doch wieder eine größtenteils menschliche Crew auf einem Raumschiff der Föderation ist.

„Star Trek: Prodigy“ habe ich noch nicht gesehen, nur ein paar Bilder. Die sahen überhaupt nicht nach dem bekannten Star Trek aus, das kann gut oder schlecht sein, kann ich nichts zu sagen. Und von „Star Trek: Strange New Worlds“ ist mit Sicherheit keine Revolution des Franchise zu erwarten, soll es doch die klassischste aller neuen Serien werden.

Fazit: Ja, erfrischenderweise herrscht mehr Mut in der Kreativzentrale, neue Wege zu gehen. Keine der neuen Serien fühlt sich wie eine nahtlose Fortsetzung der zweiten Ära an. Dennoch ist da eigentlich viel Potential für mehr als Sternenflottenoffiziere, die mal wieder das Universum retten. Und deshalb hoffe doch irgendwie auf ein „Star Trek: Starfleet Academy“, das den Fokus mal auf ganz andere Dinge legt und das Serienuniversum viel mehr als völlig neuen Hintergrund für das Genre nutzt.

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